Weitreichende ForderungenISW: Kreml stimmt Russen offenbar auf "vollständigen Sieg" ein

Der 28-Punkte-Plan der USA wirkt stellenweise so, als sei er mit russischer Tinte verfasst. Dabei klingt die Begeisterung bei Politikern und Medien in Russland eher verhalten. Offenbar wollen sie mehr.
Russische Politiker und staatliche Medien beharren auf weitreichenden Forderungen im Ukraine-Krieg. Dahinter würde selbst der kremlfreundliche 28-Punkte-Plan, den die USA vorgelegt haben, zurückfallen. So schrieb der Erste Stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Alexej Tschepa, auf Telegram, jeder Friedensplan müsse den vollständigen Forderungen Russlands entsprechen: "Die Aufgabe Russlands besteht darin, die Ursachen zu beseitigen, die zu dem vom Westen organisierten Ukraine-Konflikt geführt haben."
Laut Tschepa war Russland gezwungen, die "Spezialoperation" zu beginnen: "Wir sprechen über den Schutz der russischen Welt in der Ukraine, über die Entnazifizierung der Ukraine, über die Demobilisierung der ukrainischen Truppen. Wir sprechen auch über die Nato. Daher ist es ganz klar, dass dieser Plan den von uns formulierten Anforderungen entsprechen muss." Und weiter: "Inwieweit er uns zufriedenstellt, inwieweit er eine langfristige Lösung darstellt, muss natürlich noch genauer geprüft werden."
Russische Staatssender und Militärblogger klingen laut dem Institute for the Study of War ähnlich: So werde Russland nur einem Friedensplan zustimmen, der die "Ursachen" des Krieges beseitige - was dem Institut zufolge impliziert, dass Moskau an ernsthaften Friedensverhandlungen nicht interessiert ist, bevor es seine Ziele auf dem Schlachtfeld erreicht hat. Die "Ursache" des Kriegs ist laut dem ISW ein "bewusst vager Begriff, den der Kreml seit langem als Chiffre für seine Kriegsbegründungen und Maximalforderungen nutzt, etwa die Zerstörung der ukrainischen Souveränität und des Nato-Bündnisses".
Dass der Kreml dabei keine territorialen Zugeständnisse machen will, verdeutlichen auch Aussagen von Andrej Kolesnik vom Duma-Verteidigungsausschusses. Russland werde auf kein Gebiet verzichten, nicht einmal auf Regionen wie Saporischschja, sagte Kolesnik dem russischen Portal "News". Dabei kontrolliert Russland die Region gar nicht vollständig. Der Vormarsch der russischen Truppen gehe selbstbewusst weiter, betonte der Politiker. Zuvor hatte Kolesnik erklärt, dass die russische Seite zu Verhandlungen bereit sei, aber auf Gegenmaßnahmen aus Kiew warte. Dann drohte er der Ukraine: Eine "weitere Verschärfung des Konflikts" gefährde die ukrainische Staatlichkeit selbst.
Drohungen in Richtung Kiew
Eine ähnliche Drohung hatte am Freitag bereits Kremlsprecher Dmitri Peskow ausgestoßen: "Die effektive Arbeit der russischen Streitkräfte sollte Selenskyj überzeugen: Es ist besser zu verhandeln und zwar jetzt und nicht später", sagte Peskow. "Der Spielraum für freie Entscheidungen schrumpft für ihn, da durch die Offensive der russischen Armee Gebiete verloren gehen", sagte Peskow. Auch der Duma-Abgeordnete und Chef der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei Russlands, Leonid Sluzki, nannte die russischen Vorstöße in der Ostukraine "überzeugende Argumente" - was laut dem ISW bedeutet, dass Russland weiterhin entschlossen ist, seinen Krieg in der Ukraine auf dem Schlachtfeld fortzusetzen.
Für das ISW steht zudem fest: "Russische Beamte und staatliche Medien schaffen weiterhin Informationsbedingungen, um den von den USA vorgeschlagenen 28-Punkte-Friedensplan abzulehnen, was darauf hindeutet, dass der Kreml das russische Volk aktiv darauf vorbereitet, nichts weniger als einen vollständigen Sieg in der Ukraine zu akzeptieren." Allerdings hält der Thinktank dagegen: "Das ISW geht jedoch weiterhin davon aus, dass ein Sieg Russlands nicht unvermeidlich ist und dass die Ukraine und der Westen mehrere entscheidende Schwächen Russlands ausnutzen können, um den Kreml zu Verhandlungen und echten Zugeständnissen zu zwingen."